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1526 – Die Reformation »von oben« in Hadersleben

Den Geldhahn zudrehen …

— VON CHRISTA HANSEN UND JOHANNES SCHILLING

Haderslev, zu Deutsch Hadersleben, liegt an der gleichnamigen Förde mit Verbindung zur Ostsee und hat heute etwa 22.000 Einwohner. Die Stadtgründung wird auf das 11. Jahrhundert datiert. Bereits 1292 erhielt die Stadt das Marktrecht. Die kurze Verbindung nach Ribe, an die Nordsee, über das eiszeitliche Tunneltal und die Nähe des Heerweges garantierten über die Zeiten regen Handel und Wandel. Die Marienkirche, der heutige Dom zu Hadersleben, bildete den Rahmen für die reformatorischen Anfänge in Dänemark.

Bereits 1526 wurde die neue Kirchenordnung hier eingeführt, zehn Jahre bevor das Königreich Dänemark/Norwegen folgte. Darum nennt sich Hadersleben mit Stolz das Wittenberg des Nordens.

Der Beginn der Reformation

Die Reformation in Hadersleben war der frühe erfolgreiche Versuch der Einführung und dauerhaften Behauptung eines neuen, von einem Landesherrn bestimmten Kirchenwesens. Insofern kommt dieser frühen fürstlichen Reformation Modell- und Vorbildcharakter für das »landesherrliche Kirchenregiment « und für die mehr als ein Jahrzehnt später erfolgte Reformation der Herzogtümer Schleswig und Holstein zu. Entscheidend für die Einführung der Reformation in Hadersleben war der Wille des Prinzen Christian (1503–1559), des späteren Königs (1534–1559) Christian III. von Dänemark.

Er hatte seit 1524 die Herrschaft über die Ämter Hadersleben und Törning als fürstliches Lehen inne – ein Gebiet, das 66 Kirchspiele umfasste. Der junge Herzog Christian erlebte Martin Luther 1521 auf dem Reichstag in Worms und war von ihm beeindruckt. Vor allem aber war es sein Hauslehrer, der deutsche Adlige Wolfgang zu Utenhof, der ihn zu einem Verehrer und Verfechter der lutherischen Auslegung des Christentums machte. Utenhof war aus Wittenberg an den dänischen Hof gekommen.

Er war Jurist und ein kritischer Geist. Einige Historiker bescheinigen ihm gar Hass auf die päpstlichen Machtstrukturen; er sei ein glühender Eiferer gegen die römische Kirche gewesen. Er wird Herzog Christian schon in dessen frühen Jahren geprägt haben. Und so machte sich der junge Herzog, als ihm die Lehen zugeteilt wurden, daran, seine lutherische Überzeugung in dem ihm unterstellten Gebiet umzusetzen. Wie kann man eine oder die »Reformation « »einführen« oder »durchführen«? Indem man Zugriff auf die Finanzen nimmt. Der Landesherr enthob den zuständigen Dompropst seines Amtes, er ordnete an, dass der Kornzehnte geändert und der dem Schleswiger Bischof zustehende Anteil nicht mehr bezahlt werden sollte.

Frischer Wind mit jungen Theologen

Eine »Reformation« durchzuführen, setzte aber auch voraus, dass man geeignete Personen für einen solchen Vollzug hatte. Im Haderslebener Gebiet waren es zwei Geistliche, die der junge Herzog zur »Durchführung« der Reformation von außen in das eigene Territorium holte: Johann Wendt (ca. 1495–1541) und Eberhard Weidensee (ca. 1486–1547). Beide hatten in Wittenberg studiert und waren dort Anhänger Luthers und der neuen Theologie geworden; beide hatten an ihren früheren Wirkungsorten in den Gemeinden evangelisch gepredigt und einen Beitrag zur Reformation der Kirche geleistet. Man konnte also von ihnen erwarten, dass sie auch am neuen Ort mit Erfolg eine »Reformation« der Kirche auf den Weg bringen würden.

Im Frühjahr 1526 hatte der Herzog die Geistlichkeit seines Territoriums einbestellt; die Geistlichen aus dem Amt Torninglehn, das zum Bistum Ripen/ Ribe gehörte, erschienen jedoch nicht. Die anderen wurden von Wendt und Weidensee unterwiesen und mit der neuen Theologie vertraut gemacht. Die »Haderslebener Artikel« – die älteste »evangelische« Kirchenordnung Für die Kirche dieses Kleinterritoriums wurden 1528, wie es in der Überlieferung heißt, auf Anweisung Herzog Christians »Artickel vor de kerckheren vp den Dorpern«, Artikel für Landgeistliche, entworfen. Es handelt sich dabei um nicht weniger als eine der ältesten Kirchenordnungen für ein »evangelisch« werdendes Territorium. Damit war von Seiten des Landesherrn eine Rechtsgrundlage für die Neuordnung der Kirche gegeben.

Gedruckt wurde diese Ordnung nicht; die einzige erhaltene Handschrift befindet sich im Reichsarchiv in Kopenhagen. Die innere Ordnung der Artikel ist nicht ganz schlüssig; behandelt werden aber alle zur Zeit der Entstehung drängenden Fragen. Was »Reformation« bedeutete, entschied sich für die Zeitgenossen vorrangig daran, wie der Gottesdienst – die »Messe« – gefeiert wurde. Vor allen anderen Fragen geht es in den Artikeln daher – wie in den Kirchenordnungen überhaupt – eben um die Feier des Gottesdienstes. Was ist rechter Gottesdienst und wie soll er begangen werden? Luther hatte mit seinen Schriften »Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine« (1523), »Formula missae et communionis« (1523) und seiner »Deutschen Messe« (1526) Vorlagen geliefert, die in veränderter Form auch von den Haderslebener Artikeln aufgenommen wurden.

Die »Haderslebener Artikel« bildeten die erste (Rechts-)Grundlage für eine reformatorische Zwergkirche. Sie eröffneten der Kirche des Evangeliums eine Zukunft, die bis in die Gegenwart reicht – und über sie hinaus.

Städtepartnerschaft Haderslev und Wittenberg

Seit den 1990er Jahren ist die enge Verbindung zwischen Hadersleben und Lutherstadt Wittenberg wieder aufgenommen worden. Auf Initiative des damaligen Bischofs Niels Henrik Arendt und des Domorganisten Svend Prip, die neben anderen zu »Ehrenherzögen« der Stadt Hadersleben ernannt wurden, wurde zunächst eine Gemeindepartnerschaft zwischen der Schlosskirchengemeinde in Wittenberg und der Domgemeinde in Hadersleben etabliert. Daraus entwickelte sich eine Städtepartnerschaft, die in herzlicher Verbundenheit viele gegenseitige Besuche und einen regen Gedankenaustausch ermöglicht. Bei der zu Pfingsten 2013 ins Leben gerufenen »Internationalen Schlosskirchengemeinde zu Wittenberg« wurde eine Vertreterin aus Hadersleben in das Kuratorium berufen.

In Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum möchte sich Hadersleben um seinen Ruf als »Wittenberg des Nordens« verdient machen. In der Planung sind vielfältige Veranstaltungen, die nicht nur die Bedeutung der Reformation beleuchten, sondern auch die sich daraus ergebenden heutigen Perspektiven darstellen. Die Geschichte hat gelehrt, dass besonders direkte Begegnungen den Anstoß dazu geben, Neues zu entwickeln und zu fördern. Die Reformation als Wegbereiter des heutigen Verständnisses von Gewissensfreiheit und Toleranz sind dabei gegenseitige Verpflichtung und Aufgabe.

CHRISTA HANSEN ist Pastorin in Haderslev/Dänemark. PROF. DR. JOHANNES SCHILLING ist Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Kiel und Präsident der Luther-Gesellschaft e. V.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig