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Oratorium

Der Rote König

23.06.2017 | „Wenn der Wind sich fügt, tun wir es auch!“, so hallt es durch den Schleswiger Dom. Nachdem das Oratorium „Der Rote König“ von Björn Mummert schon in Ribe, Lügumkloster, Sonderburg und Meldorf aufgeführt wurde, kam es nun letztes Wochenende endlich im Schleswiger Dom zur Aufführung. Hochkonzentriert arbeiten Chor, Solisten und Instrumentalisten unter der Leitung von Rainer Selle, dem Domorganisten und Domkantor.

Von Karin Emersleben

Musikalisch getragen wird das Stück von der Domkantorei und dem Domchor Schleswig. Die Solisten sind Tine Fris, Sopran aus Aarhus, und Christian Svane, Tenor ebenfalls aus Aarhus. Der Bass ist mit Martin Backhaus besetzt. Weiterhin kommen unterschiedliche Instrumente vom Bajan über Cello bis zum Vibraphon zum Einsatz. Die Idee, zum Reformationsjubiläum ein Oratorium zu schreiben, war bei dem Schleswiger Komponisten Björn Mummert schnell entzündet und er fand Unterstützung bei der Schleswiger Kirchengemeinde, die diese Komposition in Auftrag gab. Doch wie kann man so ein Projekt angehen, wenn doch Luther selbst nie im Norden war? Nach einem Gespräch mit der Sprengelbeauftragten Pastorin Karin Emersleben und ihrem Hinweis, dass es einen Briefwechsel zwischen Luther und Christian II. gab, bahnte sich eine Lösung im Sprengelbeirat an, dem kirchlichen Gremium in Schleswig und Holstein für das Reformationsjubiläum.

Es war ein interessanter Gast eingeladen: Prof. Harbsmeier vom theologisch-pädagogischen Zentrums in Lügumkloster. Prof. Harbsmeier ist Kenner der reformatorischen Geschichte Dänemarks und sollte die Mitglieder des Beirats mit einem lebendigen Vortrag in dieses Geschehen einführen. Die beiden Musiker Mummert und Selle wurden von Pastorin Emersleben kurzerhand als Gäste ins Spiel gebracht und fanden in diesem Vortrag genau das, was sie suchten: den historischen Anknüpfungspunkt, an dem sie das Reformationsgeschehen bei uns im Norden mit Luther verbinden konnten: die Durchsetzung der Reformation in Hadersleben – dem Wittenberg des Nordens. So kommt das dänische Königshaus als Motor der Reformation im Norden in den Blick. Hinter dem „Roten König“ verbirgt sich der dänische König Christian der II., der kein Mittel scheute, seine Interessen durchzusetzen – etwa im von ihm besetzten Schweden.

Beim berüchtigten Stockholmer Blutbad 1520 ließ der König über 80 Männer - führende Adlige und Geistliche - hinrichten. Eigentlich sollte dieses Vorgehen seine Position in Schweden stärken, aber das Gegenteil war der Fall. Die schwedische Unabhängigkeitsbewegung erstarkte und die Dänen wurden vertrieben. Christian II. wurde zur tragischen Figur, die nach einem Adelsaufstand 1523 in Dänemark seine Heimat mit seiner Familie verlassen musste. Er floh auf Umwegen nach Wittenberg an den sächsischen Hof, wohnte bei Lucas Cranach und wurde zunehmend von Luther und seinen Ideen beeinflusst, hatte auch persönlichen Kontakt zu ihm und bekannte sich zusammen mit seiner Frau Elisabeth, Schwester des Kaisers Karl V., zur lutherischen Lehre. Mit einem neu aufgestellten Heer kehrte Christian II. 1531/32 nach Dänemark zurück, doch eine erneute Machübernahme scheiterte: Er verbrachte 27 Jahre in Gefangenschaft bis er starb.

Es waren auch die seelsorglichen Briefe Luthers, die ihn in dieser Zeit trösteten. Aus diesem historischen Stoff kann man ein Drama a la Shakespeare schreiben – oder eben ein berührendes Musikwerk, in dem sich alles um die Wirkung der Reformation auf die verworrenen Verhältnisse in unserem Landstrich dreht. Besonders gelungen ist dabei, dass Lucas Cranach die Zuhörer und Zuhörerinnen als Erzähler durch das Stück begleitet und so auch historische Brücken schlägt und Zusammenhänge herstellt, die sonst verborgen geblieben wären. Musikalisch ist das Stück bemerkenswert frisch – und die Thematik von Schuld und Freiheit, Aufbruch und Widerstand sehr aktuell. Die Musik komponierte Björn Mummert.

Die Texte basieren auf den Arbeiten von Professor Martin Schwarz Lausten, der auch das Buch: “Die heilige Stadt Wittenberg - Die Beziehungen des dänischen Königshauses zu Wittenberg in der Reformationszeit“ geschrieben hat. Für das Oratorium wurden die Quellen und Texte in moderne Sprache überführt. Ins Deutsche übersetzt wurde alles von Eberhard Harbsmeier, der bei den dänischen Aufführungen auch die Rolle des Sprechers übernommen hat. Bei den Aufführungen in deutscher Sprache wird der Schauspieler Wolfgang Berger diesen Part übernehmen.